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Physik für Schülerinnen und Schüler

Selbstinduktion

© H. Hübel Würzburg 2013

Empfohlene Glossarthemen:

Selbstinduktion Induktion Induktivität Spannung Stromstärke

Glossar zur Physik für Schülerinnen und Schüler

Physik für Schülerinnen und Schüler

Selbstinduktion mit LEDs
Abb. 1: Zwei parallele Zweige mit gleichem ohmschen Widerstand. Nach Schließen des Schalters dauert es einige Zeit, bis LED2 genauso hell wie LED1 leuchtet. LED3 zeigt die Stromrichtung nach dem Öffnen des Schalters an (vgl. auch SG110)
Versuch 1: Ein- und Ausschaltversuch mit der "Monsterspule" und Leuchtdioden *):

Im Zentrum steht eine Spule mit den Daten L = 630 H und R = 280 Ohm. Der hohe Wert für L (was auch immer das ist) lässt sich nur mit einer großen und schweren Spule erreichen. Deswegen nenne ich die Spule manchmal "Monsterspule". Sie ist parallel geschaltet zu einem gleich großen ohmschen Widerstand. Er ist recht genau realisiert durch die Parallelschaltung von einem 330 Ohm- und einem 2 kOhm-Widerstand. In beiden Stromkreisen liegen zur Stromanzeige identische Leuchtdioden LED1 und LED2. Obwohl an beiden Zweigen die gleiche Spannung anliegt, verhalten sich die Ströme nach Anzeige der Leuchtdioden völlig anders:

Während die LED1 quasi gleichzeitig mit dem Schließen des Schalters aufleuchtet, beginnt die LED2 erst allmählich zu leuchten. Erst nach einigen wenigen Sekunden erreicht sie die gleiche Helligkeit und zeigt damit erst dann den gleichen Strom an.

Wird der Schalter jetzt wieder geöffnet, blitzt die vorher dunkle LED3 kurz auf. Sie zeigt an, dass durch LED2 und LED3 auch nach dem Abtrennen der Stromquelle kurzzeitig ein Strom fließt, der durch die Spule die gleiche Richtung hat, wie vor dem Ausschalten.

1. Offenbar entsteht beim Einschalten so etwas wie ein "Widerstand", der sich dem Stromfluss entgegenstellt, aber allmählich verschwindet. Vielleicht eine Gegenspannung beim Einschalten?

2. Beim Ausschalten dagegen fließt der Strom durch die Spule jetzt offenbar kurzzeitig weiter.

3. Beide Beobachtungen werden manchmal so zusammengefasst:

Spulen sind extrem konservativ: sie versuchen alles beim Alten zu lassen, kurz nach dem Einschalten den Zustand der Stromlosigkeit, kurz nach dem Ausschalten den Stromfluss in unveränderter Richtung.

4. Hier sind die Verhältnisse aber recht kompliziert: Der Strom ist offenbar zeitabhängig, auch der Spannungsabfall an dem Innenwiderstand der Spule. Es muss noch eine weitere Spannungsquelle im Stromkreis geben, die sich mit dem Spannungsabfall bei Einschalten zur konstanten Batteriespannung ergänzt.

Das soll in einer vereinfachten Anordnung untersucht werden.

Analyse des Versuchs 1:

Ein Strom kommt beim Einschalten offenbar erst mehr oder weniger langsam in Gang. Das hast du im Versuch mit der Monsterspule gesehen. Wenn er aber in Gang gekommen ist, dann sorgt die Spule offenbar dafür, dass er zunächst noch unverändert weiter fließt. Wenn beim Einschalten eine "Gegenspannung" an der Spule wirksam war, könnte es dann beim Ausschalten eine "Weiterspannung" an der Spule sein, die den Strom noch eine Zeitlang weiterfließen lässt? Das geht offenbar so lange, bis die "Weiterspannung" allmählich abgeklungen ist. ("Weiterspannung" ist kein offizieller Begriff, er wird nur in diesem Text verwendet; eher ist dafür "Mitspannung" in Gebrauch, aber auch sie wird selten verwendet.)

Stetigkeitsbedingung für die Stromstärke bei der Selbstinduktion
Abb. 2:   Gleiches gilt für die zweite Knickstelle beim Einschalten des Stroms (Stetigkeitsbedingung)
Deutet sich hier so etwas wie eine "Stetigkeitsbedingung für die Stromstärke" an: Kurz vor wie nach dem Umschalten fließt offenbar kurzzeitig der gleiche Strom? Gilt vielleicht manchmal die folgende Formulierung?

In einem Stromkreis mit einer Spule macht die Stromstärke keine Sprünge, sie ist eine stetige Funktion der Zeit.


Versuch 2: Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Stromstärke und Spannung

Zunächst ein technischer Exkurs:

Du bist es gewohnt, in einem Stromkreis die Spannung vorzugeben und zu schauen, welcher Strom sich als Folge der Spannung einstellt. Stell' Dir aber vor, Du hättest ein Gerät zur Verfügung, mit dem Du einen ganz bestimmten Strom im Stromkreis fließen lassen kannst. Dann wäre die Frage, welche Spannung dazu nötig ist. In einem Stromkreis mit einem ohmschen Widerstand gilt das ohmsche Gesetz: U = R · I. Es kann von links nach rechts oder von rechts nach links gelesen werden: Aus der Stromstärke I ergibt sich eine bestimmte Spannung oder bei einer bestimmten Spannung fließt ein bestimmter Strom. Es macht keine Aussage, ob U oder I vorgegeben ist.

Ein solches Gerät gibt es tatsächlich (wenigstens arbeitet es in guter Näherung so). Es wird Strompumpe genannt. Im allgemeinen ist es sehr schwer, einen Strom mit einem bestimmten Zeitverlauf durch eine Spule oder einen Kondensator zu schicken.
Strompumpe: Schema Sie enthält zwei Stromkreise, einen Eingangs-Stromkreis und einen Ausgangskreis. Wenn der Eingangskreis außer der Stromquelle nur einen ohmschen Widerstand (z.B. R = 1 kOhm) enthält, lässt sich die Stromstärke durch die angelegte Spannung leicht festlegen (I = U/R). Spannung und Stromstärke im Eingangskreis haben sogar den gleichen Zeitverlauf.

Genau die gleiche Stromstärke I fließt dann im Ausgangskreis, wenn der Stromkreis durch irgendein leitfähiges Bauteil zwischen A und A' geschlossen wird. In vielen Fällen lässt sich auch die Spannung an diesem Bauteil zwischen A und A' sehr einfach messen.

Nehmen wir an, es fließt ein konstanter Strom I = 1 mA im Eingangskreis, und es sei ein ohmscher Widerstand von 2 kOhm zwischen A und A' angeschlossen. Durch ihn muss der gleiche Strom von 1 mA fließen. Er erzeugt einen Spannungsabfall von 2 V. Die Spannung zwischen A und A' beträgt 2 V.

Beim gleichen Eingangsstrom hätte ein Widerstand von 4 kOhm zwischen A und A' eine Spannung von 4 V zwischen A und A' bewirkt.

(Wenn im Eingangskreis ein ohmscher Widerstand von 1 kOhm liegt, hätte eine Spannung von 1 V am Eingang genügt, um diesen Strom fließen zu lassen.)

Abb. 3: Prinzipschaltung der Strompumpe. Jeder in die Strompumpe hineinfließende Strom muss am Ausgang wieder herausfließen. Die Stromstärken in beiden Stromkreisen haben den gleichen Zeitverlauf.

Details der Schaltungskizzen zur Realisierung der Strompumpe brauchst du dir nicht zu merken. Du wirst nie danach gefragt werden, solltest aber überzeugt werden, dass die physikalischen Folgerungen richtig sind.


Nun wieder zurück zu unserem Hauptthema von Versuch 2: I und U bei der Spule:

Schülerversuchs-Spule Z.B. bei den Versuchen mit der Monsterspule sind Stromstärke durch die Spule und Spannung an der Spule beide offenbar zeitabhängig. Es ist naheliegend, einen Strom mit einer möglichst einfachen Zeitabhängigkeit vorzugeben und zu untersuchen, wie die Spannung an der Spule darauf reagiert. Es bietet sich ein dreiecksförmiger Strom an.

Damit wir nicht auch noch den Spannungsabfall am ohmschen Widerstand der Spule in unsere Überlegungen einbeziehen müssen, wählen wir einen Spulenbaustein (Abb. 3) mit vernachlässigbarem ohmschen Widerstand (1,5 Ohm).

Abb. 3: Schülerversuchs-Spulenbaustein
("SV-Spule") mit zwei identischen Wicklungen auf einem gemeinsamen Ferritkern mit je 1,5 Ohm
Widerstand und je L = 0,1 H Induktivität. Vgl. "stromkompensierte Drossel" von Reichelt electronic. Durch Beschaltung lassen sich Induktivitäten bis 0,8 H erreichen.

Aber wie bringen wir es fertig, genau einen dreiecksförmigen Strom durch die Spule fließen zu lassen? Dazu verhilft uns eben die Strompumpe, die du dir auch selbst bauen könntest. In ihrem Arbeitsbereich hat sie zwei tolle Eigenschaften:

  1. Die Stromstärke im Eingangskreis ist allein bestimmt durch dessen ohmschen Widerstand und die Spannung der Stromquelle.
  2. Im Ausgangskreis fließt immer ein Strom von gleicher Stromstärke wie im Eingangskreis.

Durch einen Funktionsgenerator mit dreiecksförmiger Ausgangsspannung (50 Hz - 400 Hz) können wir also einen dreiecksförmigen Eingangsstrom erzwingen. An den Ausgang der Strompumpe schließen wir den Spulenbaustein mit vernachlässigbarem ohmschen Widerstand an.

Wir sind dann sicher, dass die Stromstärke durch den Spulenbaustein mit der Stromstärke im Eingangskreis übereinstimmt, dass sie also auch dreiecksförmig von der Zeit abhängt.

Aber wir wollten doch auch die Spannung an der Spule messen!?

Also: Wir kennen den dreiecksförmigen Strom durch die Spule und können mit der Schaltung Abb. 4 auch die Spannung an der Spule messen. Das kann mit einem Oszilloskop oder einem Messinterface geschehen

Strompumpe mit vorgegebenem Spulenstrom
Abb. 4:   So sieht dann endlich die Schaltung konkret aus, die du vielleicht auch im Schülerversuch einsetzen kannst. Details sind unwichtig.
Für den Lehrer: https://www.forphys.de/Website/expmon/stromsteuer.html

Du kannst es vielleicht sogar im Schülerversuch herausfinden:

1. Solange die Stromstärke durch die Spule gleichförmig wächst, ist die Spannung an der Spule konstant. Solange die Stromstärke durch die Spule gleichförmig fällt, ist die Spannung an der Spule ebenfalls konstant, aber mit umgekehrtem Vorzeichen (Abb. 5).

2. Für die Spannung an der Spule und Strom durch die Spule gilt U prop. zur Steigung des t-I-Graphen ΔI/Δt in bestimmten Zeitabschnitten.

3. Je schneller sich die Stromstärke durch die Spule ändert, desto größer ist die Spannung an der Spule. (Wie würde dann das zu Abb. 5 analoge Diagramm jetzt aussehen?)

Selbstinduktion: Dreiecksstrom
Abb. 5: Vergleich von Stromstärke und Spannung nach Versuch 2


Messung der Selbstinduktionsspannung
Abb. 6:  Mit der 2. Wicklung im Spulenbaustein kannst du eine Induktionsspannung messen. Sie ist von gleicher Größe wie die Spannung an der Spule. Diese ist also eine (Selbst-)Induktionsspannung!

Beachte: Eine Induktionsspannung entsteht, wenn sich innerhalb der Spule, beim Spulenbaustein also im Ferritkern, der magnetische Fluss ändert. Hier hängt dieser vom vorgegebenen Strom durch die Spule ab!

Versuch 3:
Identifizierung der Spannung an der Spule

Der Spulenbaustein hat auf dem gleichen Ferritkern eine zweite Wicklung mit gleicher Windungszahl n1 = n2. Schließen wir dort das Oszilloskop oder das Messinterface an, beobachten wir an der "Induktionsspule" die gleiche Spannung wie an der "Feldspule".

Damit wird ganz klar: Es handelt sich  in beiden Fällen um eine Induktionsspannung, weil sich der magnetische Fluss im Ferritkern mit dem Strom durch die Feldspule ändert.

Die Spannung an der Spule ist durch die gleiche Änderungsrate des magnetischen Flusses im Ferritkern erzeugt, nur einmal in der felderzeugenden Spule selbst, das andere Mal in der Induktionsspule, wie bei einem Transformator. Deswegen heißt die Spannung an der Feldspule Selbstinduktionsspannung Uind und das ganze Phänomen Selbstinduktion. Es gilt das bekannte Induktionsgesetz!


Die Proportionalitätskonstante in UL prop. ΔI/Δt (im jeweiligen Zeitabschnitt), also in UL = L·ΔI/Δt heißt Induktivität L. Es gilt also:

L =  UL / (ΔI/Δt)

(wobei wir uns nicht um das Vorzeichen von UL kümmern wollen) und damit ist ihre Benennung klar:  V/(A/s) = V·s/A = H .  ΔI/Δt ist die Steigung des t-I-Graphen oder die Änderungsrate der Stromstärke ("Geschwindigkeit der Stromänderung"), UL die Spannung an der Spule. Die Induktivität L ist bedeutet also Induktionsspannung pro Änderungsrate der Stromstärke. Die Abkürzung H ist das Symbol für die Benennung Henry. Daraus ergibt sich auch ein Messverfahren für L.


Dreiecksstrom durch Spule Für die Induktionsspannung bei der Selbstinduktion gilt nicht nur das übliche Induktionsgesetz, sondern auch das Gesetz der Selbstinduktion:

      UL = L·ΔI/Δt  

mit der Induktivität L. Ihre Einheit ist 1 H = 1 V·s/A


(Uind = - UL)

Abb. 7: Aufgabe 1: Bei einem Versuch mit der Strompumpe ergab sich für den Strom I durch die Spule und die Spannung U an der Spule dieses Diagramm. Welche Induktivität L hat die Spule?

Mit der vorgeschlagenen SV-Spule werden zwei Probleme gelöst: 1. ihr Innenwiderstand ist in der Regel trotz relativ hoher Induktivität vernachlässigbar, 2. die Selbstinduktionsspannung kann direkt gemessen werden. Mit der Strompumpe können wir eine dreiecksförmige Stromstärke erzwingen, deren abschnittsweise konstante Steigung auch elementar (ohne Kenntnis der Zeitableitung) verständlich und messbar ist.


Jetzt verstehen wir die Eingangsversuche (vgl. SG110):

1. Während die Stromstärke ansteigt (Einschaltvorgang), wird eine zu ihrer Steigung proportionale Selbstinduktionsspannung  Uind  in der Spule induziert. Sie ist so gerichtet, dass sie den Stromanstieg zu hemmen versucht ("Gegenspannung"). Allmählich steigt die Stromstärke immer langsamer an; die Selbstinduktionsspannung wird dem Betrag nach immer kleiner und verschwindet schließlich, wenn die Stromstärke konstant geworden ist. Erst dann spielt Selbstinduktion keine Rolle mehr; in beiden Zweigen von Versuch 1 fließt jetzt erst der gleiche Strom. Während des Einschaltvorgangs wird in der Spule magnetische Energie gespeichert.

2. Beim Ausschalten fällt die Stromstärke. Es wird eine zu ihrer Steigung proportionale Selbstinduktionsspannung Uind in der Spule induziert, die jetzt so gerichtet ist, dass sie den Stromfluss kurzzeitig quasi unverändert beibehält (deswegen "Weiterspannung" oder "Mitspannung"). Die in der Spule gespeicherte magnetische Energie wird jetzt benutzt, um den Strom weiterfließen zu lassen. Mit der Abnahme dieser Energie sinkt auch die Stromstärke. 

Das ist ein Spezialfall der Lenz'schen Regel: Bei der Selbstinduktion entsteht eine Spannung Uind , die so gerichtet ist, dass sie ihrer Ursache, der Veränderung der Stromstärke, entgegen wirkt.

Beim Einschaltvorgang fließt der Spulenstrom durch den Zweig mit der Spule, also durch ihren Innenwiderstand Ri und - falls vorhanden, wie in Abb. 14 - durch R1.  Auch beim Einschaltvorgang mit der "Monsterspule" teilt sich die angelegte Spannung UB (sie ist häufig eine konstante  "Batteriespannung") auf in die Spannung UL (= - Uind) an der Spule und den Spannungsabfall am gesamten Widerstand R im Zweig mit der Spule inkl. des Innenwiderstands Ri der Spule.

UB =  UL + I·R

Der Spannungsabfall ist anfangs 0, also sind im Augenblick des Einschaltens (I = 0) UB und die Spannung an der Spule entgegengesetzt gleich: Die Spannung Uind (= - UL) versucht, den einsetzenden Stromfluss zu unterdrücken. Sie wirkt jetzt als eine "Gegenspannung".

Ähnliches gilt beim Ausschalten im LED-Versuch. Wenn jetzt aber maximaler Strom fließt, und du schaltest die Batterie ab, entsteht eine solche Selbstinduktionsspannung Uind , dass dieser Strom noch einen kurzen Moment unverändert weiterfließt. Sie wirkt jetzt als eine "Weiterspannung" oder "Mitspannung".  Aber der Spulenstrom muss jetzt auch durch R2 fließen. Dazu wird eine dem Betrag nach höhere Spannung benötigt. Es gilt:

0 = UL + I·R' , also Uind (= - UL) = I·R', wobei I der kurz vor dem Ausschalten fließende Strom ist und R' der gesamte Kreiswiderstand, durch den I fließt. Schließlich nimmt aber die Stromstärke doch ab, damit verliert aber auch die Spule "ihre Kraft", Uind (= - UL) sinkt ebenfalls.

Der Gesamtwiderstand R bzw. R' ist immer der gesamte Widerstand, durch den der Spulenstrom fließt.

(Zum Unterschied von Uind = -UL . Zur Messung von Uind )


Charakteristische Werte

Es gibt offenbar zwei stationäre Werte der Stromstärke  I1 und I2 (stationäre Werte werden nach langer Zeit erreicht und sind dann quasi unverändert, solange nicht der Schalter betätigt wird):

(1) die Stromstärke lange nach dem Einschalten; dann ist der Betrag der Selbstinduktionsspannung auf 0 abgesunken und nur noch der ohmsche Widerstand der Spule Ri bzw. der gesamte Widerstand R des Zweigs mit der Spule spielt eine Rolle:    UB = I1·R , also I1 = UB/R.

(2) die Stromstärke lange nach dem Ausschalten. Diese ist ebenso wie die Selbstinduktionsspannung zu einem solchen Zeitpunkt 0, also I2 = 0.

Es gibt zwei Spitzenwerte der Spannung:

(1) die kurzzeitige Induktionsspannung beim Einschalten (kurzzeitig noch I = 0), die die Batteriespannung aufheben muss, also Uind = -UB .

(2) die kurzzeitige Induktionsspannung beim Abschalten, nachdem sich der stationäre Wert der Stromstärke I1 = UB/R eingestellt hat. I1 muss jetzt auch noch durch R2 fließen, insgesamt durch den Gesamtwiderstand R', also  Uind = I·R' =  UB·R'/R . Beide Spitzenspannungen haben umgekehrtes Vorzeichen. Beim Ausschalten hat die Selbstinduktionsspannung einen größeren Betrag als beim Einschalten.

Ungewohnt ist die Grundidee dieser Versuche, dass nämlich die Induktionsspannung eine Folge des Stroms (genauer: der Stromänderung) ist. Man ist geneigt, Spannung als Ursache für eine Strom anzusehen. Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen Stromstärke und Spannung nicht kausal. Die Physik sagt nur: Wenn eine Spannung U von der und der Größe vorliegt, kann dazu nur ein Strom I der Stromstärke so und so gehören. Der Satz ist aber auch umkehrbar: Wenn ein Strom I der Stromstärke so und so vorliegt, kann dazu nur eine Spannung U von der und der Größe gehören.

Aufgabe 2:

Bei einem Versuch, bei dem ein Spulenstrom ein- und ausgeschaltet wird, wird eines der folgenden Diagramme gemessen. Entscheide, welches es sein könnte, und begründe:

Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11
Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10:



Das Märchen, dass die "Einschaltdauer" die Größe der Selbstinduktionsspannung bestimme:

Zündfunke: Prinzip Selbstinduktion: Stromrichtungen
Abb. 11: Modellversuch zu einer Zündanlage im PKW. Durch
Selbstinduktion entsteht eine sehr große Spannung, die das Gas in der Glimmlampe leitfähig macht. Es kommt zu einem kurzzeitigen "Öffnungsfunken" (Aufbau auf Leybold-Rastersteckplatte).
Abb. 12: Um nach dem Öffnen des Schalters kurzzeitig den unveränderten Strom weiter fließen zu lassen genügt hier eine kleinere Selbstinduktionsspannung als in Abb. 11, weil die durchflossenen Widerstände kleiner sind (Aufbau auf Leybold-Rastersteckplatte).

Zugrunde liegt eine korrekte Beobachtung bei einem Ein- und auch - entsprechend - bei einem Ausschaltvorgang bei einer realen Spule mit Innenwiderstand: (Zündfunkenprinzip; Abb.  11): Öffnet man den Schalter, so entsteht ein sehr kurzer Spannungsimpuls hoher Amplitude, der das Gas in der Glimmlampe zum Leuchten bringt. In der entsprechenden Schaltung mit Leuchtdioden wird dagegen nur eine kleine Spannung induziert, die gerade noch eine der Leuchtdioden zum Aufleuchten bringt. Es gibt auch theoretische Gründe, dass bei sonst gleichen Verhältnissen eine höhere Spannung mit einer kürzeren "charakteristischen Zeit T" verbunden ist. Aber ist das eine "Einschaltzeit" bzw. eine "Ausschaltzeit" ?

Manche Schulbücher bringen eine solche Bezeichnung ins Spiel. Manchmal ist immerhin die Rede von einer "Abklingdauer, die durch den Schalter bestimmt ist". Ein solcher Name würde nahelegen, dass man einen Stromkreis schnell oder langsam schließen könnte, dass man diese Zeit beeinflussen könnte und damit auch die Spitzenspannung. Dabei kennt ein (idealisierter) Schalter aber nur zwei Zustände: geschlossen oder offen. Die Änderung geschieht instantan und nicht erst im Verlauf einer Zeit. (Dass reale Schalter davon etwas abweichen, ist eine ganz andere Geschichte; sie ist in der märchenhaften Aussage ohnehin nicht berücksichtigt). Eine Zeitdauer muss anders hereinkommen.

Nach den vorausgehenden Erläuterungen wissen wir vielmehr: Die Spitzenspannung ist festgelegt durch die Stetigkeitsbedingung für die Stromstärke (vgl. SG110); sie muss so groß sein, dass der vor dem Umschalten durch die Spule fließende Strom kurzzeitig weiterfließen kann. Das hat nichts mit einer - wie auch immer definierten - Zeitdauer zu tun. Die Argumentation mancher Schulbücher ist deshalb völlig falsch.

Ist nun der Widerstand sehr groß, wie im Fall der Abb. 11, dann ist dazu eine sehr große Spannung nötig, bei einem idealisierten Schalter müsste sie sogar unendlich sein. Aber: schon bei kleineren Werten reicht die Spannung aus, um die Luft zwischen den Kontakten oder das Gas in der Glimmlampe leitfähig zu machen. Dann hat die Funkenstrecke zwischen den beiden Schalterkontakten einen endlichen Widerstand und es ist auch nur eine endliche Spannung nötig, um durch den "Funkenkanal" einen Strom fließen zu lassen. Dann reicht die  in der Spule gespeicherte Energie länger, und der Induktionsvorgang dauert länger als bei extrem großem Widerstand. (Man kann auch mit dem Spannungsstoß argumentieren: Kleiner Kreiswiderstand erfordert nur eine kleine Selbstinduktionsspannung. Unveränderter Spannungsstoß ist dann mit einer größeren Abklingdauer verbunden. Großer Kreiswiderstand (wie bei Abb. 11) erfordert eine große Induktionsspannung; sie ist mit einer kürzeren Abklingdauer der Selbstinduktionsspannung verbunden.) Was Schulbücher irreführenderweise mit "Einschaltdauer" bezeichnen, müsste Abklingdauer heißen, die aber nicht vom Schalter abhängt. Diese ist nur von den Widerständen im Stromkreis und der Induktivität der Spule L abhängig (Es gibt sogar eine Gesetzmäßigkeit dafür, die du dir nicht zu merken brauchst: T = R/L ). Sie lässt sich nicht durch den (idealen) Schalter beeinflussen.


Berechnung der Induktivität einer langen Spule

Da  du jetzt den Zusammenhang zwischen Selbstinduktionsspannung und Änderungsrate der Stromstärke kennst, kannst du für den Fall einer langen Spule ohne Eisen- oder Ferritkern ("luftgefüllte Spule") die Induktivität sogar berechnen:

Für die Induktionsspannung gilt:

Uind(t) = - N · ΔΦ/Δt = - N · ΔB/Δt · A =  - N · µ0 ·N·ΔI/Δt · A/𝓁  , wenn 𝓁 die Länge der Spule ist, weil hier gilt:  B = µ0 ·(N/𝓁)·I. µ0 ist die magnetische Feldkonstante.  Es folgt also:

Uind(t) =  - µ0 ·N2· A/𝓁 ·ΔI/Δt , also in Uind(t) =  - L ·ΔI/Δt   gilt L = µ0 ·N2A/𝓁 . Doppelte Windungszahl N führt zur vierfachen Induktivität L.

Aufgabe 3:

a) Welche Parameter müsstest Du wie ändern, um doppelte Induktivität zu erreichen?

b) Überfliege noch einmal die Herleitung der Formel für L. Wie würde sich die Induktivität L verändern, wenn in der Spule ein Eisenkern mit der konstanten relativen Permeabilität  µr (relativen magnetischen Feldkonstanten) vorhanden wäre?


Anhang:

Hinweise:

1. Uind = - UL

2. Die Leybold-Rastersteckplatte erleichtert den Aufbau der Strompumpe im Schülerversuch.

3. Ich vermute, dass ich den Leuchtdioden-Versuch vor vielen Jahrzehnten durch Herrn Prof. D. Heuer kennen gelernt habe.

4. Wenn die Leuchtdioden bei Versuch 1 einen Vorschaltwiderstand von 330 Ohm haben, braucht man für 10 mA Strom (im stationären Fall) die Spannung 1,7 V + 0,01*(330 + 280) V = 7,8 V.


5. Realisierung der Strompumpe

Strompumpe Dazu verhilft uns die konkrete Ausformung der Strompumpe mit einem Operationsverstärker. Die Schaltung wird auch "spannungsgesteuerte Stromquelle" genannt, weil durch die Spannung am Eingang die Stromstärke am Ausgang AA' gesteuert werden kann. Zwischen den beiden Ausgängen A' und A liegt die Spule.

Die Funktion brauchst du wirklich nur ganz grob verstehen: Die beide Eingänge E- und E+ liegen quasi auf gleichem Potenzial. Man spricht, da E+ mit Masse (⊥-Zeichen ) verbunden ist, auch bei E- von "virtueller Masse", so als wäre A' direkt mit der Masse verbunden. Die Masse ist ein Pol in der Schaltung, in Vergleich zu dem alle Spannungen gemessen werden, also auch die Ausgangsspannung UA. Die Spannung zwischen A und A', und das ist die Spannung an der Spule, stimmt mit der Ausgangsspannung UA überein und kann durch sie gemessen werden.

(Nicht eingezeichnet sind die zwei Spannungsanschlüsse für die positive und negative Betriebsspannung, wie sie Operationsverstärker-Schaltungen in der Regel erfordern.)

Abb. 13:   So wird die Strompumpe mit einem Operationsverstärker realisiert. Viele Schulen haben solche Bauteile in ihrer Schülerversuchs-Sammlung. Die Schaltung erklärt, weshalb die Spannung UA gleich der Spannung zwischen den Ausgängen A und A' ist. Für den Lehrer: https://www.forphys.de/Website/expmon/stromsteuer.html

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6. Lösungen zu den Aufgaben:

Aufgabe 1: L = 0,2 H

Aufgabe 2: Abb. 9 ist richtig. Nur hier ist die Selbstinduktionsspannung beim Einschalten eine Gegenspannung und beim Ausschalten eine "Weiterspannung".

Aufgabe 3: a) doppelte Querschnittsfläche A, halbe Spulenlänge 𝓁, √N-fache Windungszahl

b) Die Induktivität L wäre um den Faktor  µr erhöht.



Die Grundschaltung zur Untersuchung der Selbstinduktion bei Ein-/Ausschaltsvorgängen sollte immer folgende sein:

Selbstinduktion Grundschaltung
Abb. 14: Der Widerstand R2 wird benötigt, um beim Abschalten für eindeutige Widerstandsverhältnisse zu sorgen. Denn dann liegt nach Öffnen des Schalters immer noch ein geschlossener Stromkreis vor.

Würde R2 fehlen, müsste trotzdem der vor dem Abschalten fließende Strom kurzzeitig weiterfließen. Durch Selbstinduktion müsste erst ein geschlossener Stromkreis geschaffen werden, indem die Induktionsspannung soweit anwächst, dass irgendwo die Luft leitfähig wird, z.B. zwischen den Kontakten des Schalters ("Öffnungsfunke") oder zwischen den Elektroden der Glimmlampe von Abb. 11 (Prinzip des Zündfunkens). Das kann unerwünscht sein, wie im "unsauberen" ersten Fall, oder erwünscht, wie im zweiten Fall.

Darin liegt auch die Gefahr von Spulen großer Induktivität für die Schulpraxis: Würde man die Spule ohne R2 z.B. direkt an den Leistungsausgang eines Funktionsgenerators anschließen und durch Ziehen eines Steckers wieder abtrennen, müsste der Stromkreis durch Selbstinduktion über den Funktionsgenerator geschlossen werden, wodurch dieser zerstört werden könnte.

Im Fall von Abb. 1 wird anstelle von R2 eine Leuchtdiode mit ähnlicher Aufgabe verwendet.

Die Daten von Abb. 14 sind unverbindlich. R1 dient hier nur zur Strommessung und könnte auch fehlen.

Beim Einschaltvorgang ist R der Gesamtwiderstand in dem Zweig, der durch den Spulenstrom durchflossen wird. In Abb. 14 ist das der Innenwiderstand der Spule Ri und der Widerstand R1 zum Messen der Stromstärke: R = Ri +R1. In vielen Fällen ist R = 0, und nur der Innenwiderstand Ri spielt eine Rolle.

Beim Ausschaltvorgang fließt der Spulenstrom in Abb. 14 auch noch durch R'. Dann gilt für den Gesamtwiderstand, durch den der Spulenstrom fließt: R' = Ri + R1 + R2.


Ich habe 2020 ein so genanntes "Erklärvideo" zur Selbstinduktion im Internet gefunden, das beansprucht, auf "einfache" Weise Selbstinduktion zu erklären. Leider geht es von einer ungeeigneten Schaltung aus, eben nicht der "Grundschaltung" mit dem Widerstand R'. Aufmerksame Sch werden sich sofort fragen, wie in einem offenen Stromkreis beim Ausschaltvorgang überhaupt ein Strom fließen kann, ob gar zwei Ströme fließen, ein Induktionstrom und ein "Normalstrom", warum ausgerechnet nach dem Abtrennen der Spannungsquelle ein zum "Normalstrom" (oder ist es ein Gesamtstrom?) entgegengesetzter Induktionsstrom das Zusammenbrechen des Magnetfelds verhindern soll. Die Autoren haben die Selbstinduktion leider nicht verstanden.

Ähnliches gilt für den Ausschaltvorgang in einem einschlägigen Video von studyflix.

Ich rate davon ab, die Videos anzuschauen, solange sie nicht verbessert sind.



ΔI/Δt ist nur dann die Steigung des t-I-Graphen in bestimmten Zeitabschnitten, wenn sich I linear mit der Zeit ändert. Im allgemeinen muss ΔI/Δt durch die Zeitableitung von I ersetzt werden, die oft als I·  oder  dI/dt  geschrieben wird.


(aktualisiert Oktober 2013)

(Bezeichnungs- bzw. Vorzeichenfehler korrigiert: 2014

Grundschaltung ergänzt: Dez. 2020

weitere Ergänzungen März 2021)