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SG007a "Bewegt" oder beschleunigt eine Kraft einen Körper?
© H. Hübel Würzburg 2023

Geschwindigkeit

Koordinaten

Glossar 

Physik für Schülerinnen und Schüler

1. Vorbemerkung:

Wie alle physikalischen Begriffe musste auch der Begriff der Kraft willkürlich, aber sinnvoll definiert werden. Erst Newton gelang das:

Kraft soll die Ursache für eine Beschleunigung, Richtungsänderung oder Verformung sein.

Als Beschleunigung wird in der Physik auch eine Verzögerung bezeichnet. Noch allgemeiner soll eine Beschleunigung das Schneller- und das Langsamerwerden und eine Richtungsänderung umfassen. Dann könnten wir also kurz sagen:

    Kraft soll die Ursache für eine Beschleunigung oder Verformung sein.    

Du könntest aber auch statt Beschleunigung Geschwindigkeitsänderung einfügen, wenn du eine Änderung des Geschwindigkeitsvektors meinst. 


2. Jetzt zum Thema der Überschrift:

Du hast doch die Erfahrung gemacht, dass eine Kraft einen Körper mit konstanter Geschwindigkeit geradeaus bewegen kann? Die Motorkraft bewegt einen PKW z.B. mit konstanter Geschwindigkeit vorwärts, die Schwerkraft einen Fallschirm mit (weitgehend) konstanter Geschwindigkeit vom Flugzeug bis zum Boden. Das glaubst du doch??? Manche definieren dann sogar eine Kraft als "die Ursache einer gleich gerichteten Bewegung".

Aber stell' dir vor, du würdest die Motorkraft plötzlich abschalten bzw. durch Treten der Kupplung Motor und Räder voneinander entkoppeln: würde dann der PKW im gleichen Moment stehen bleiben: keine Kraft, also keine Bewegung? Sicher nicht. Der PKW wird nur allmählich langsamer. Wieso wird er überhaupt langsamer? Richtig, weil eine Reibungskraft wirkt. Und die soll den PKW nach der (falschen) Aussage "Kraft gleich Ursache einer gleich gerichteten Bewegung" bewegen, etwa in Fahrtrichtung?

Nein, die Reibungskraft wirkt nach hinten und bremst das weiter nach vorne fahrende Fahrzeug ab. Es ist ganz klar: die Reibungskraft bewirkt keine Bewegung, sondern eine Beschleunigung (im allgemeineren Sinn). Sie behindert sogar eine vorhandene Bewegung.

Und, wenn es keine Reibung gäbe - Glatteis kommt der Situation nahe - , wenn dann die Motorkraft plötzlich abgeschaltet würde (oder die Kupplung getreten würde), wie würde sich der PKW verhalten? Du stimmst mir hoffentlich zu: er würde mit weitgehend unveränderter Geschwindigkeit weiter rollen. Das kannst du mit der Trägheit des PKWs begründen, also mit dem 1. Newton'schen Gesetz. Diese Bewegung braucht überhaupt keine Kraft mehr (wenn sie irgendwann einmal in Gang gekommen ist).

Nach der Definition von Newton bewirkt eine Kraft u.a. eine Beschleunigung. Aber beim PKW auf der geradlinigen Autobahn haben wir doch die Situation: konstante Antriebskraft und konstante Geschwindigkeit. Ein Widerspruch? Tatsächlich wirken hier zwei entgegengesetzte Kräfte: die konstante Antriebskraft und eine konstante Reibungskraft. Beide Kräfte wirken in entgegengesetzte Richtungen und heben sich gegenseitig auf. Insgesamt wirkt auf den PKW eine (Gesamt-)Kraft von 0 N. Deswegen bewegt er sich mit konstanter Geschwindigkeit, ähnlich wie der antriebslose PKW auf Glatteis!

Beim Anfahren war die Situation noch anders: Es musste viel "Gas gegeben" werden, damit die Antriebskraft die Reibungskraft überwinden konnte. Deshalb wurde der PKW beschleunigt bis er schließlich seine konstante Fahrgeschwindigkeit erreichte, wobei sich Antriebskraft und Reibungskraft gegenseitig zu 0 N ergänzten, also gegenseitig aufhoben.

Ähnlich ist es beim Fallschirm: Die Reibungskraft wirkt entgegengesetzt zur Fallrichtung, also nach oben, die Gewichtskraft nach unten. Solange sich der Fallschirm noch nicht entfaltet hat, überwiegt die Gewichtskraft. Die Gesamtkraft ist nach unten gerichtet und bewirkt eine Beschleunigung nach unten. Das gilt kurze Zeit auch noch nach Öffnen des Fallschirms. Die Reibungskraft wächst mit zunehmender Geschwindigkeit bis sich die Beträge der beiden Kräfte angeglichen haben; die Gesamtkraft wird 0 N, und von da an bewegt sich der Fallschirm mit dem Springer (im Idealfall) kräftefrei mit konstanter Geschwindigkeit nach unten.

3. Folgerung:

Wenn du eine Geschwindigkeitsänderung oder Richtungsänderung oder Verformung beobachtest, weißt du, dass eine Kraft wirken muss. Das kann damit zusammenhängen, dass am betroffenen Körper eine einzige Kraft angreift, aber auch, dass mehrere Kräfte angreifen, die eine von 0 verschiedene Gesamtkraft bilden.

Wenn du keine dieser Wirkungen beobachtest, weißt du, dass die Gesamtkraft 0 sein muss. Das kann damit zusammenhängen, dass am betroffenen Körper keine einzige Kraft angreift, aber auch, dass sich mehrere Kräfte gegenseitig aufheben.

( September 2023 )