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SG150 Wechselstrom
© H. Hübel Würzburg 2021

Serielle Wechelstromkreise

Wechselstromkreise mit parallelen Schaltungen

Induktivität

Glossar

Physik für Schülerinnen und Schüler


I Grundlegendes

II Besonderheiten bei den Bauteilen Kondensator und Spule

III Energietransport

IV Vorteil gegenüber Gleichstrom

I Grundlegendes           ( zurück )

Bei Gleichstrom hat jeder Anschluss der Energiequelle (Stromquelle) immer feste Polarität. Deshalb fließt der Strom außerhalb der Energiequelle immer vom Anschluss A zum Anschluss B. Bei Wechselstrom sind Energiequellen so konstruiert, dass jeder Anschluss regelmäßig seine Polarität wechselt. Dementsprechend fließt der Strom außerhalb der Energiequelle einmal von Anschluss A zu Anschluss B, dann wieder von Anschluss B zu Anschluss A, natürlich immer vom Pluspol zum Minuspol. Unser wichtigstes Stromnetz ist ein Wechselstromnetz. Ein Pol der Steckdose ist 50 mal in einer Sekunde ein Pluspol und 50 mal in einer Sekunde Minuspol. Eine Periode dauert also 1/50 Sekunde = 0,02 s. In einer Sekunde finden also 50 Perioden statt. Man sagt, die Frequenz des gebräuchlichsten Wechselstroms bei uns beträgt 50 Hz (also 50 Perioden pro s).

sinusförmige Wechselspannung Abb. 1:  Wechselspannung

Die Frequenz f des Wechselstroms gibt allgemein die Anzahl der Perioden in einer Sekunde an. Eine Periode dauert also die Zeit T = 1/f an. T heißt Periodendauer. Die Einheit der Frequenz f ist wegen f = 1/T:    [f] = 1 s-1 = 1 Hz.

2π erinnert an den Kreisumfang, deswegen heißt ω = 2π·f  Kreisfrequenz: ω ist bis auf den Faktor 2π gleich der Frequenz. Bei unserem 50 Hz-Wechselstrom gilt also ω = 2π·50 s-1 = 100 π·s-1  ≈ 314  s-1. Frequenz und Kreisfrequenz haben die gleiche Benennung s-1. Aber Hz bleibt der Frequenz f vorbehalten.

Wegen T = 1/f ist die Periodendauer umso kleiner, je größer die Frequenz ist. Am häufigsten genügt die Spannung der Energiequelle einer sinusförmigen Gesetzmäßigkeit U(t) = U0 sin(ω·t + φ) mit irgendeiner Phasenverschiebung φ. U0 heißt Scheitelwert der Spannung oder Spannungs-Amplitude. Für eine volle Periode nach einem Nulldurchgang, also nach der Zeit t = T, ist ω·T= 2π, also ω = 2π·1/T = 2π·f.

Du könntest einmal abschätzen, wieweit sich Elektronen in einer halben Periodendauer bewegen: Bei einem Gleichstrom von 1 A beträgt die Drift-Geschwindigkeit der Elektronen in den Leitern typischerweise 0,1 mm/s. In einer Sekunde kommen Elektronen also  0,1 mm weit. Wir finden für die halbe Periodendauer 1/100 s typischerweise die Strecke 0,1 mm/s·0,01 s = 10-6 m. Bei einem typischen Atomdurchmesser von 10-10 m würde diese Strecke 10 000 Atomen entsprechen, wenn die Atom dicht an dicht lägen. In der nächsten halben Periode (bei umgekehrter Polarität) würden die Elektronen die gleiche Strecke wieder zurück driften. Das macht uns klar, dass die Elektronen die Energie, die mit ihrer Hilfe in "Verbraucher" transportiert wird, nicht mit sich herumtragen können. Ein Elektron, das durch eine Glühlampe, z.B., strömt, wird niemals in der Lage sein, sich im E-Werk Energie "abzuholen" und diese in der Lampe "abzugeben". Das wirft die Frage auf, wie der Transport von elektrischer Energie überhaupt stattfindet, bei Wechselstrom, aber genauso bei Gleichstrom.

Unser Stromnetz, das mit der Steckdose verbunden ist, wird mit 50 Hz versorgt. Die Eisenbahn arbeitet mit 16 2/3 Hz oder 16,7 Hz. Die geringe Abweichung dabei bietet einige Vorteile. Manche Straßen- und U-Bahnen nutzen aber auch Gleichstrom.

Neben den zeitabhängigen Momentanwerten U(t) und I(t) von Spannung und Stromstärke und den Scheitelwerten U0 und I0 definiert man Effektivwerte: Ueff = U0/√2  und Ieff = U0/√2. Normalerweise werden die Effektivwerte angegeben, weil man mit ihnen rechnen kann, als würde es sich um Gleichstromwerte gleicher Größe handeln. Für unser Stromnetz gilt Ueff = 230 V. Dann ist der Scheitelwert U0 ≈ 325 V. Bei einem hoffentlich nie eintretenden Stromschlag - im allgemeinen tödlich - an einem Elektrogerät müsstest du nicht nur 230 V aushalten können, sondern sogar 325 V!

Wenn die Wechselstrom-Quelle allein mit einem Ohm'schen Widerstand verbunden ist, haben Spannung und Stromstärke die gleiche sinusförmige Zeitabhängigkeit. Bei einem Kondensator oder einer Spule im Stromkreis dagegen sind Spannung und Stromstärke gegeneinander phasenverschoben und haben u.U. eine ganz andere Zeitabhängigkeit.


II Besonderheiten bei den Bauteilen Kondensator und Spule           ( zurück )

Du erwartest vermutlich, dass ein Kondensator mit den zwei gegeneinander isolierten Kondensatorplatten keinen Strom durchlassen kann, dass ein Kondensator einen geschlossenen Stromkreis unterbricht. Das ist nicht der Fall. Warum ein Kondensator einen Strom durchlässt, kannst du hier nachlesen.

Warum wirken Kondensator oder Spule als Wechselstrom-Widerstand?

Bei beiden Bauteilen bauen sich durch Wechselstrom Gegenspannungen auf,  durch die der Stromfluss behindert wird. Beim Kondensator wird bei Stromfluss der Kondensator allmählich geladen (und wieder entladen), wodurch eine Gegenspannung -Uzur Spannung der Energiequelle gebildet wird. Bei der Spule entsteht durch Selbstinduktion infolge des zeitlich veränderlichen Stroms eine Gegenspannung Uind = -UL.

(UC und UL lassen sich auch als Spannungsabfälle im Stromkreis auffassen. Der Kondensator habe die Kapazität C und die Spule die Induktivität L.)


III Energietransport           ( zurück )

Du hast schon verstanden, dass Elektronen in Leitern die durch sie transportierte Energie nicht mit sich "herumtragen", wie mit einem Rucksack. Man hat schon vor mehr als 100 Jahren herausgefunden, dass die Energieübertragung in Stromkreisen mit Hilfe von elektrischen und magnetischen Feldern erfolgt, und zwar an solchen Stellen, an denen gleichzeitig ein elektrisches und ein magnetisches Feld geeigneter Richtungen vorhanden sind. Das geschieht besonders in der Nähe der stromdurchflossenen Leiter, da sich jeder Strom mit einem Magnetfeld umgibt, und da dort auch ein elektrisches Feld vorhanden ist, das den Strom antreibt. Es entsteht aus dem Feld, das von der Energiequelle ausgeht und dem Feld der sich durch den einsetzenden Strom bildenden Oberflächenladungen. Die Energie fließt dann überwiegend in der Umgebung der Leiter von der Energiequelle zum Energie"verbraucher", gemäß einem Energiestromdichte-Vektor S (Poynting-Vektor), der ein Produkt aus elektrischer und magnetischer Feldstärke enthält. Für Gleichstrom gilt Ähnliches. Wenn sich nun die Stromrichtung umkehrt, ändern sich auch die Richtung des Magnetfelds und des elektrischen Felds: die Richtung des Energiestromdichte-Vektors S von der Quelle zum Verbraucher bleibt unverändert. Das erklärt auch, dass Energie überhaupt mit Wechselstrom übertragen werden kann, obwohl die stromtransportierenden Elektronen nie von der Quelle zum Verbraucher gelangen.

Dass die Energie durch die umgebende Luft oder gar durch Vakuum transportiert wird, ist dir nicht unbekannt. Auch das Licht von der Sonne, eine der wichtigsten Grundlagen für das Leben auf der Erde, wird mit Hilfe von elektrischen und magnetischen Feldern durch das Vakuum zu uns transportiert. Extrem starke Laser transportieren in ihrem Strahl mit Hilfe von elektrischen und magnetischen Feldern so viel Energie, dass metallische Gegenstände durchgeschmolzen werden können. Und auch Radio- und Fernsehsender strahlen Energie durch die Luft zu den Antennen der Empfänger.

Die Beurteilung von gelieferter Energie im Vergleich zu nutzbarer Energie erfordert bei Wechselstrom eigene Überlegungen. Man unterscheidet dabei zwischen Scheinleistung, Wirkleistung und Blindleistung.


IV Vorteil gegenüber Gleichstrom           ( zurück )

Der Gebrauch von Wechselstrom geht wohl auf Nikola Tesla im 19. Jahrhundert zurück. Vorteil gegenüber dem damals üblichen Gleichstrom war die Möglichkeit, Wechselspannungen herauf und herunter zu transformieren, d.h. ihren Wert zu erhöhen oder zu erniedrigen. Für die Übertragung über lange Strecken kann man die Verluste in den Leitungen erheblich verringern, wenn man die Stromstärke beträchtlich absenkt. Das schafft man, wenn man die Spannung bei unveränderter Leistung P  hochtransformiert (heute bis in den Bereich von 750 kV). In der Nähe des Verbrauchers wird die Spannung nach und nach wieder herunter transformiert auf 230 V, und für manche Geräte im Haushalt wird sie dann noch einmal herunter transformiert, z.B. auf 12 V. Mit Gleichspannung war das lange Zeit nicht möglich. Zu den Nachteilen von Wechselspannung gehören dielektrische Verluste in den Kabelisolierungen und der umgebenden Materie bei Erd- oder Seekabeln, der Skineffekt, durch den der Strom vornehmlich nahe der Oberfläche der Kabel fließt und so nur einen Teil des Kabelquerschnitts nutzt. Vor allem machen sich nicht nutzbare Blindleistungen (wenn U und I nicht in Phase sind) bemerkbar.

Neuerdings gibt es Verfahren der Leistungselektronik (mit Halbleiter-Bauelementen), mit denen man auch Gleichspannungen - ohne die hier nicht funktionierenden Transformatoren - herauf oder herunter "transformieren" kann. Das rückt einen Vorteil der Gleichstromtechnik in den Vordergrund: Energieübertragungen mittels Hochspannungsleitungen und Erdkabeln sind mit Gleichstrom deutlich verlustärmer, z.B., weil dielektrische Verluste geringer sind. Höchstspannungsleitungen für weite Energieübertragungen werden heutzutage für Gleichstromtechnik eingerichtet. In der Regel lohnt sich Gleichstromübertragung derzeit nur für sehr lange Übertragungswege, weil andernfalls die Verluste bei der Konvertierung in den Wechselstrom der lokalen Netze die verringerten Leitungsverluste überwiegen.



Du darfst dir aber nicht vorstellen, dass die bewegten Ladungsträger die Energie mit sich herumtragen, wie das das Rucksackmodell oder das Bienen-Nektar-Modell behauptet. Ladungen, die durch eine leuchtende Lampe fließen, waren in der Regel während der Einschaltdauer nie in der Nähe der Energiequelle, wo sie Energie hätten abholen können. Besonders auffällig wird das bei Wechselstrom, wo Elektronen im Leiter nur wenige Atomdurchmesser weit hin und her wackeln. Der Strom bewegter Ladungen ist Voraussetzung für den Energietransport von der Energiequelle zur Lampe. Es sind aber nicht die Ladungen, die die Energie transportieren, sondern das elektromagnetische Feld im Raum, wenn auch durch Vermittlung der fließenden Elektronen.

( Februar 2021 )